Projekt Selbstliebe
Lifestyle

Projekt Selbstliebe – auch wenn’s schwer fällt

Ich verfolge seit einer ganzen Weile auf Instagram den Fitness und Schlankheitswahn Trend, den man unter #eatclean #abgerechnetwirdamstrand #healty #lc #fitness finden kann. Mittlerweile ist es ja eine Art Hobby geworden, seinen Abnehmweg über Social Media zu dokumentieren. Die meisten vergessen dabei zwar Hashtags wie #fishingforcompliments #adhs und #selbstbewusstseinkompensieren, aber hauptsache ein breites Publikum feuert einen an. Versteht mich nicht falsch, ich bewundere Menschen, die diszipliniert sind, die ihr Training durchziehen und die es schaffen sich immer gesund zu ernähren. Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich mittlerweile zwar mit Nessas Unterstützung wirklich regelmäßig Sport treibe und eigentlich von Haus aus jeden Tag selbst koche, aber mir fehlt tatsächlich die Disziplin dazu, nur noch Salat zu essen und ich mach mir dann eben doch mal gerne eine Lasagne oder Pizza.

Projekt Selbstliebe
Projekt Selbstliebe

Was ich sehe sind überwiegend super schlanke, wunderschöne Mädchen und junge Frauen, deren Figur vollkommen okay ist, oder noch schlimmer: Mädchen die ihre Abnehmgeschichten bildlich dokumentieren und ich traurigerweise feststellen muss, dass sie zu Beginn ihrer Reise wunderschön ausgesehen haben und nach ein paar Monaten auf aktuellen Bildern wie ein verhungertes Skelett wirken. Darunter dann meist noch an welchen Stellen sie noch arbeiten müssen. Ich frag mich wirklich jedes Mal woran man arbeiten möchte, wenn man sowieso nur noch aus Haut und Knochen besteht. Den Trend solcher Abnehmreisen auf Social Media Kanälen finde ich übrigens in mancher Hinsicht sehr bedenklich. Natürlich kann das eine riesige Motivation sein, aber in meinen Augen auch eine ganz große Falle in die Magersucht. Wenn dir Follower nicht irgendwann sagen: Mädchen du hast ehrlich gesagt vor zwei Monaten mit fünf Kilo mehr auf den Rippen noch besser ausgesehen!; dann bewegt man sich schneller in diese Abwärtsspirale, als einem lieb ist.Wenn ich dann allerdings mal wieder auf Instagram unterwegs bin, weiß ich nicht ob ich bei den Anblicken die sich mir bieten belustigt oder traurig sein soll. Ein Haufen Mädels, die sich einreden Zucchini wären Nudeln (ja Zoodles sind auch mal lecker aber sie schmecken immer noch nicht wie Spaghetti!), die Portionen essen, bei denen es sich nicht einmal lohnt den Herd zu benutzen, geschweige denn sich „satt“ zu fühlen und die alles mögliche an Pulvern in sich hineinschütten und sich dabei einreden, dass das Zeug gesund ist und wirklich etwas bringt um ihnen beim Abnehmen zu helfen.

Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass ich mir bei gesunden, schlanken, sportlichen Figuren nicht auch manchmal denke, dass ich auch gerne so eine Figur hätte. Aber ich hab über sehr viele Jahre hinweg gelernt mit mir glücklich zu sein. Warum? Weil es in meinen Augen keine Definition für „perfekt“ gibt.

Wenn ich mich selbst als Beispiel nehme: Ich hab vor vier Jahren ziemlich ordentlich zugenommen, zum einen weil meine Schilddrüse sich dank Hashimoto verabschiedet hat, zum anderen aber auch weil ich gegessen habe worauf ich eben gerade so Lust hatte ohne mich großartig zu bewegen. Ich hab diese Kilos bislang auch nicht wieder verloren und tue mich trotz täglichem Sport einfach ein bisschen schwerer damit.

Zuvor hatte ich bei 1,74m um die 70 Kilo und mich immer fett gefühlt, wenn da keine 6 mehr auf der Wage stand. Wenn ich mir jetzt Bilder von damals ansehe, dann hab ich den Wunsch meinen Kopf gegen die Wand zu schlagen, weil dieses Denken vollkommen bescheuert war. Ich hatte damals eine wirklich nette Figur, an der ich jetzt im Nachhinein absolut nichts mehr auszusetzen finde. Ich war nie dürr, dazu esse ich zu gerne, aber ich war schlank und hab das nie gesehen. So geht es diesen Mädels vermutlich auch.

Natürlich könnte ich anfangen wieder vollkommen glutenfrei zu leben, nur noch Wasser zu trinken, komplett auf Süßigkeiten zu verzichten und um jede Art von Fast Food einen großen Bogen zu machen. Aber will ich das wirklich? Ich hab zwei Jahre glutenfrei gelebt. Kein Ding, kann man machen, aber ich hab auch mitgekriegt, dass man sich eines Stückes Lebensqualität beraubt. Wenn du eben nicht mit den Freunden essen gehen kannst, weil du sieben Tage die Woche unangemachten Blattsalat nicht mehr sehen kannst, oder dich in jeder Wirtschaft erst einmal erkundigen musst, von welchem Lieferanten sie ihr Spezi kriegen um abwägen zu können, ob du es trinken darfst. Das macht weder mir selbst, noch jemand anderem Spaß und früher oder später wird man einfach nicht mehr gefragt, weil das sowieso zu kompliziert ist.

Ich hab irgendwann festgestellt, dass es keine Rolle spielt was die verhasste Waage anzeigt, weil es im Endeffekt darauf ankommt, dass man sich selbst wohl in seiner Haut fühlt. Was das heißt? Man steht morgens auch mal auf, sieht in den Spiegel und denkt sich fuck, die Vogelscheuche kenn ich nicht. Aber was ist das für ein Leben, wenn ich mich morgens aus dem Bett quälen muss, mir während dem Zähneputzen ausrechne wie viele Kalorien mein Frühstück haben darf (außer ich lass es super gesund natürlich gleich weg) und mir danach schon einmal Ausreden für eventuelle Freunde und Familie überlege, wieso ich nicht mitessen kann, oder in der Arbeit bereits berechne, wie viele Runden ich auf den Sportplatz Joggen muss um das Stück Kuchen wieder abzutrainieren.

Aber ihr beide dokumentiert eure sportlichen Fortschritte doch auch?! – Werden einige von euch jetzt vielleicht einwerfen und ja, das stimmt. Wir schreiben seit der ersten Woche mit dem Freeletics Coach eine Art Tagebuch über das Training und unsere Fortschritte. Der ganz große Unterschied für Nessa und mich ist hier allerdings, dass wir Freeletics machen um fitter zu werden, von Abnehmen war nie die Rede. Wir ernähren uns ausgewogen und versuchen es die meiste Zeit gesund. Aber es gibt eben auch Tage an dem man in die All-you-can-eat Sushibar geht oder sich ne Pizza bestellt, weil man einfach zu müde vom langen Tag ist um noch zu kochen. Wir lieben gutes Essen und wir haben keine Lust auf Low-Carb, No-Carb, Trendveganer oder Kalorienzählen. Wir bestreiten nicht, dass all diese Methoden kurzfristig und schnell zum gewünschten Abnehmziel führen können, sie führen jedoch genauso schnell zum allseits beliebten Jojoeffekt, wenn man die Ernährung und den Sport wieder schleifen lässt.

Das ist für mich einfach kein Leben. Ich will damit nicht sagen, dass es keine Tage gibt, an denen ich aufstehe und mich unwohl fühle, davon gibt es sehr viele. Aber nach ganz vielen Jahren mit dem ständigen Gedanken „zu dick“ zu sein, obwohl ich es im Nachhinein betrachtet nie wirklich war, hab ich mitterweile eingesehen, dass ich mich so lieb haben muss wie ich bin. Das heißt nicht, dass ich nicht an mir arbeiten kann und soll, aber es lebt sich einfach zufriedener, wenn man sich nicht ständig über Aussehen und Gewicht den Kopf zerbricht. Das fängt bei Komplexen gegenüber Klamotten und der Preisfrage „kann und darf ich sowas tragen“ an und endet dann bei den Gedanken „aber wenn ich das jetzt esse, dann…“. So viel verschwendete Zeit, die man sinnvoller nutzen könnte indem man einfach mal mit dem Augenblick glücklich ist und sich nicht permanent von der Waage und den Photoshopmodels mobben lässt.

Deswegen bin ich heute mal ganz hippiemäßig unterwegs und sage: liebt euch so wie ihr seid und seid froh, dass ihr gesund seid!

 

0 Kommentare

  • Vivka Wintermädchen

    Was für ein wunderschöner und wertvoller Artikel in der heutigen Zeit, danke dafür! Es stimmt, dass viele -gerade junge Mädels- dem Trend der Gesellschaft hinterher rennen und das ist eben schlank und ohne irgendein Gramm Fett zu viel zu sein, dass viele dieser Fotos nicht die Realität sind, vergessen viele. Alle -fast alle- sind sie irgendwie gestellt und hingeschummelt! Ich zB bin eigentlich relativ schlank, habe aber nen kleines Bäuchlein, dank Fettleber, sieht doof aus, ich werde oft gefragt, ob ich schwanger sei, aber gut, es gehört zu mir und damit muss ich leben und damit kann ich leben! Es gibt andere Probleme, dass sollte keines davon sein! Selbstliebe sollte wir wirklich alle mal wieder üben und Liebe für andere <3

    Daher nochmal danke für den Post und liebste Grüße,
    Vivka

  • Frank Tuchscheerer

    Moin, moin…
    Wow, was für ein toller Artikel, gefällt mir sehr gut. Lebe und genieße es so wie du bist, Trends haben mich noch nie wirklich interessiert und werden mich auch nicht! Ich fühle mich wohl, und du solltest dich auch so fühlen. Und wenn es mal nicht so sein sollte dann ändere es um deines Willen und nicht für andere.
    LG Frank

  • Juli

    Das hast du toll geschrieben. Ich hab in letzter Zeit die Vorzüge von Retuschen erkannt und genutzt, so dass ich mir selber den Stress rausnehmen konnte aber eigentlich traurig, dass so etwas nötig ist. Wenn jeder einfach so posten würde, wie er oder sie ist, wäre das nicht nötig aber so ist es leider nicht. Nicht ein Bild geht bei Insta und co. unbearbeitet raus, da bin ich mir sicher. Mit Selbstliebe hat das nichts zu tun.

  • Daaaniieee

    Ups ich glaube ich hab den vorherigen Kommentar jetzt gelöscht (meinen „alten“) …

    Auf jeden Fall finde ich den Beitrag sehr toll, gerade in der Instastorie Welt ist immer alles pipifein … oder wird eben dazu gemacht … Darum finde ich sozusagen die gerade herausschießenden Plussize Profile ganz interessant 🙂

    LG Danie

  • Heidi

    Liebe Vivka,
    vielen lieben Dank für das Lob! Das freut mich sehr 🙂
    Ich find das super, dass du dich so akzeptierst wie du bist und mal ehrlich, niemand von uns ist perfekt 🙂
    Ich geb dir absolut recht, ein wenig mehr Sensibilität für sich selbst und andere wäre schön!
    Liebste Grüße,
    Heidi

  • Heidi

    Liebe Juli,
    das ist finde ich genau der Punkt, dass man sich überhaupt nicht mehr traut ein unretouchiertes Foto hochzuladen, weil man sich darauf selbst einfach nicht mag. Das kenn ich nur zu gut und geht mir selbst ganz oft genauso.
    Und ich denke du hast recht, ich glaube auch nicht, dass auf Instagram besonders viele unretouchierte BIlder zu finden sind. Eigentlich sehr schade 🙁
    Liebste Grüße, Heidi

  • Heidi

    Liebe Danie,
    da geht es mir ganz genauso, allerdings diese Profile haben meine riesige Bewunderung, einfach weil ich das selbst irgendwie nicht mache.
    Liebste Grüße, Heidi

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